Eigentlich hätte an dieser Stelle eine kleine Vorschau auf die bevorstehenden Olympischen Winterspiele stehen sollen, doch die Umstände ließen uns davon absehen. Und im Jahr 2014 trifft es uns doppelt bitter, Russland und Weißrussland sind beides keine sehr attraktiven Ziele für Eishockey-Fans.
Zum fünften Mal in Folge legt die NHL eine Pause für den olympischen Eishockey-Wettbewerb ein. Was seit Nagano ein Grund zur Freude ist, wird in diesem Jahr ein wenig durch den Austragungsort getrübt. Und dies liegt nicht an den bescheidenen Erfolgsaussichten beim Wett-Trinken gegen einheimische Profis. Vielmehr ist der lupenreine Demokrat an der Spitze des Staates ursächlich, dem ein gewisser Hang zur Selbstüberhöhung nachgesagt wird. Uns stellen sich hier zwei Fragen: Was ist von einer Vergabe an ein Land wie Russland zu halten?
Und wie sollen wir uns als Fans verhalten?
Die Vergabe
Natürlich gibt es wirtschaftliche Zwänge, die einem Staat wie San Marino eine Ausrichtung nie erlauben würden. Widerstände anderer Art – nämlich politische – waren kürzlich in einem reichen Land live mitzuerleben. Hinzu kommen Prinzipien wie die nachhaltige spätere Nutzung der Sportstätten. Zuletzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass bei der Abstimmung zur Vergabe stets besondere Mechanismen greifen, von wahltaktischen Erwägungen ist dann gerne die Rede. Das alles erklärt jedoch nicht ausreichend, warum es ausgerechnet Sotschi sein musste. Waren die Mitbewerber aus Pyeongchang und Salzburg tatsächlich so wenig geeignet?
Gut, in Russland hat ein Wandel vom Kommunismus zu Was-auch-immer stattgefunden, dem Urteil eines Kanzlers a.D. muss sich dennoch niemand anschließen, ist das Fehlen von Grundrechten wie Presse- und Meinungsfreiheit oder Minderheitenschutz doch offensichtlich. Bizarr erscheint es von außen, wie die dortige Gesellschaft auseinander gedriftet ist. Einerseits gibt es die unheimlich reichen Oligarchen, die wahlweise im Knast landen oder Fussballclubs aufkaufen, andererseits einen sehr großen und sehr armen Bevölkerungsanteil.
Zur Vergabe kommt selbstredend erleichternd hinzu, dass in eher autokratisch geführten Ländern Enteignungen und Bauvorhaben wesentlich schneller vonstatten gehen, wenn auf juristische Feinheiten, Wutbürger und endemische Insekten keine Rücksicht genommen werden muss. Es läge also alleine am IOC, bei der Vorauswahl vielleicht auch die Menschenrechte als Kriterium in höherem Maße zu berücksichtigen. Wie war das noch bei Coubertin mit der Völkerverständigung? Möglicherweise wäre es auch keine schlechte Idee, den Gigantismus, der die Winterspiele nach Lillehammer befallen hat, wieder ein wenig zurück zu schrauben. Aber dem stehen wohl Dollarzeichen in den Pupillen der Beteiligten diametral entgegen, so dass weiter fröhlich auf den Kollaps zugesteuert wird.
Verhalten für Fans
Und was machen wir nun in unserer Rolle als Fans? Wollen bzw. können wir nach Sotschi reisen? Hier kann unsere Antwort nur „Nein“ heißen, fällt der Blick auf den Umgang mit Menschenrechten vor Ort. Von westlichen Standards verwöhnt, muss es nicht unbedingt der Besuch in einem Polizeistaat sein. Oder ist jemand unserer Leser vor Ort? Eine große Klappe kann einen hier durchaus in die Bredouille bringen und russische Gefängnisse sind keine beliebten Touristenziele. Wer will schon im Knast landen durch Schwadronieren über Putin im Rausch des Medaillenregens? Wenn wir an dieser Stelle Kritik an Merkel, Tripcke oder Piechaczek äußern, fürchten wir vielleicht eine Abmahnung, aber noch keine drastischeren Maßnahmen.
Ist vielleicht ein aktiver Boykott Russlands angebracht? Also keine RauPkopien von russischen Servern? Keinen Wodka mehr? Gerade Letzteres scheint zu radikal. Bliebe noch der passive TV-Boykott. Dieser ist aber gerade bei der Randsportart Eishockey kontraproduktiv. Zudem sind alle Gelder bereits geflossen, was ließe sich nachträglich noch bewirken? Das Schreiben von bösen Kommentaren und Leserbriefen überlassen wir lieber den Alt-68ern.
Doch ist es sonst möglich, Stellung zu beziehen? Natürlich gäbe es den Weg, einen Eishockeyblog im Jahr 2008 – unter dem Eindruck der Sommerspiele in Peking – zu gründen, um diesen Jahre später als Denkanstoß für kritische Geister zu verwenden. Aber diese Möglichkeit hat ja nicht jeder. Der sonst so oft gescholtene DEB hat hier eine Vorreiterrolle übernommen und ganz klar Stellung bezogen. Die Wahl des sportlichen Notausgangs kann nachträglich nur als äußerst clever eingeschätzt werden.
Wie aber kann der Fan seine Meinung kundtun? Wir haben für uns entschieden, das Eishockeyturnier zwar zu verfolgen, dafür aber Biathlon konsequent zu ignorieren. Diese Problematik hatten wir bereits 2008 bei den Spielen in Peking zu lösen, damals machte es die Zeitverschiebung leicht. Noch schlimmer: Was machen wir bei der Eishockey-WM? Hier ist das Problem durchaus ähnlich gelagert, da es angesichts der Kosten kaum noch Austragungsländer gibt. Vom Jahr 2022 möchten wir hier erst gar nicht reden… Doch dann wird wenigstens der Vollboykott leichter, weil gleichzeitig Eishockey gespielt wird!
Unbedingt auch lesen:
- Krefeld gegen Düsseldorf: Das Nachspiel
- Eishockey-WM 2011: Relegationsrunde Gruppe G
- Spiel um Platz Drei: Finnland – Tschechien
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